Studientitel: So denkt Österreich
Onlinebefragung von 1000 Österreicherinnen und Österreicher (repräsentativ, internetaffin) im Alter von 18 bis 65 Jahren
Zeitraum: 17. bis 20. September 2021
Herbstbeginn – Der Sommer geht zu Ende, die Maßnahmen werden verschärft und viele Fragen bleiben …
Am 27. Dezember 2020 wurden in Österreich erstmals Menschen gegen Covid-19 geimpft. Trotz zahlreicher Diskussionen rund um Lieferengpässe und seltene Nebenwirkungen in den Folgemonaten erreichte die österreichische Impfkampagne ihren Höhepunkt im Mai und Juni 2021 als täglich mehr als 100.000 Personen geimpft wurden. Allerdings folgte im Verlauf des Sommers ein deutlicher Rückgang des Impftempos und zuletzt wurden laut Gesundheitsministerium nur noch rund 12.000 Personen pro Tag teil- oder vollimmunisiert.
Während die Bundesregierung von vielen Seiten Kritik für ihr Impfmanagement im Sommer erhält, treten nun, ausgelöst durch die steigende Auslastung der Intensivstationen, erstmals Maßnahmen in Kraft, die vor allem ungeimpfte Personen betreffen und zur Impfung motivieren sollen. Doch welche Gründe haben ungeimpfte Personen für ihre Entscheidung und sind die in Kraft tretenden Maßnahmen genug, um Unentschlossene umzustimmen? Und wie bewerten die Österreicherinnen und Österreicher die aktuellen Maßnahmen und Entwicklungen rund um die Pandemie? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich die aktuelle Umfrage von TQS Research & Consulting aus ihrer Studienreihe „So denkt Österreich“.
„Gekommen, um zu bleiben“ heißt ein Song der Berliner Rock-Band „Wir sind Helden“ aus dem Jahr 2005. Das trifft die momentane Situation und dem Umgang mit COVID – die Gesundheitskrise zeigt zunehmend „nachhaltige“ Wirkungen und gesellschaftliche Veränderungen in der österreichischen Bevölkerung: Die Krise dauert den Menschen schon viel zu lang, nährt Zweifel an den politischen Entscheidungsträgern, sie polarisiert und stellt unsere Solidarität auf eine harte Probe. Letztendlich bleibt aber auch die (berechtigte) Hoffnung, dass danach andere Themen wie Nachhaltigkeit sowie Klima- und Umweltschutz an Bedeutung gewinnen werden.
Die Spaltung der Gesellschaft
Eine große Einigkeit besteht bei den Österreicherinnen und Österreichern darin, dass die Pandemie einen starken verändernden Einfluss auf unsere Gesellschaft hat (85 %). Dieser Einfluss wurde am Beginn der Pandemie im April 2020 noch mehrheitlich positiv gesehen (65 %). Im Verlauf der Pandemie hat sich dies völlig umgekehrt und nun befürchten mehr als drei Viertel negative Entwicklungen. Ein Großteil der Befragten nimmt Spaltungen in der Gesellschaft wahr. Besonders Spannungen bzw. Konflikte zwischen Geimpften und Ungeimpften werden genannt (87 %), aber auch eine Spaltung aufgrund von unterschiedlichen politischen Einstellungen (84 %), zwischen Menschen mit und ohne Migrationserfahrung (74 %) sowie zwischen Armen und Reichen (68 %) werden häufig wahrgenommen. Gerade die geplanten Maßnahmen lassen befürchten, dass bspw. das Tragen der Maske nicht nur zum Schutz, sondern auch zur weiteren Stigmatisierung von potentiell ansteckenderen Personen führt und sich die Gesellschaft weiter entzweit und desolidarisiert.
Ungeimpfte: Ignoranz oder zu wenig Aufklärung?
In der repräsentativen Befragung von 1.000 ÖsterreicherInnen im Alter von 18 bis 65 Jahren geben knapp drei Viertel an, bereits teil- oder vollimmunisiert zu sein. 17 % lehnen die Impfung generell ab und 9 % zeigen sich noch unschlüssig.
Mit welchen Maßnahmen würden sich die 9 % der Unentschlossenen noch zur Impfung bewegen lassen? Während sich 13 % der befragten Ungeimpften aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, wünschen sich 12 % mehr Informationen seitens der Regierung und Behörden z.B. in Bezug auf die Wirksamkeit der Impfstoffe. Weitere 11 % würden sich impfen lassen, wenn das derzeitige PCR-Testangebot mit Kosten verbunden wäre und immerhin 10 % würden den Schritt zur Impfung machen, wenn Ungeimpfte keinen Zutritt mehr zu Gastronomie, Events oder dem öffentlichen Leben haben. Weitere Maßnahmen, die zur Impfung bewegen würden, sind eine generelle Maskenpflicht, Reiseverbote oder mühsame Testmöglichkeiten für die Gruppe der Ungeimpften. Bei mehr als der Hälfte (52 %) der Ungeimpften sind jegliche Maßnahmen unwirksam.
Umgekehrt gehen die Meinungen der Österreicherinnen und Österreicher hinsichtlich der Gründe für die vergleichsweise hohe Anzahl an Ungeimpften auseinander: 29 % vermuten, dass Falschinformationen sowie eine schlechte Aufklärung der Hauptgrund für die hohe Zahl an Ungeimpften sind. Damit oft einhergehend wird die Verantwortung in der Politisierung der Gesundheitskrise durch politische Parteien wie der FPÖ gesucht (22 %). 12 % nennen Ignoranz als Grund für die Ablehnung. Wechselt man die Perspektive, so werden als Hauptgründe Zweifel an der Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe (20 %) und Angst vor Nebenwirkungen (12 %) genannt.
Auch die Impfauffrischung oder der dritte Stich ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Immerhin 85 % der befragten Geimpften hält es für eher bis sehr wahrscheinlich, dass sie diese Auffrischung in Anspruch nehmen. Personen über 50 Jahren zeigen dabei eine höhere Bereitschaft im Vergleich zu den Jüngeren.
Die Krise kratzt am Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger
Nun sind zum 15. September 2021 erstmals Maßnahmen in Kraft getreten, die vor allem Neuerungen für ungeimpfte Personen beinhalten und die sich an der prozentuellen Auslastung der Intensivstationen orientieren. Knapp drei Viertel der Befragten sind über die aktuellen Maßnahmen informiert und kennen sich damit aus. Im Vergleich zu Oktober 2020 werden die Maßnahmen allerdings aktuell von deutlich weniger Menschen für sinnvoll gehalten (2020: 75 %, 2021: 53 %). Auch das Vertrauen in die Bundesregierung, dass diese die richtigen Maßnahmen setzen, ist im Vergleich gesunken und liegt nun bei ca. 40 %. Insgesamt stimmen mehr als die Hälfte der TeilnehmerInnen zu, dass die Bundesregierung in Bezug auf das Management der Covid-19-Pandemie versagt hat (52 %). Aktuell glauben weniger als die Hälfte, dass die Pandemie in diesem Herbst und Winter erfolgreich bekämpft werden kann, was im Vergleich zu den früheren Befragungen einen Tiefststand darstellt.
Nach Corona kommt die Klimakrise?
Gesundheit als wichtigster Wert, der Wunsch nach Freiheit, Nachhaltigkeit & Klimaschutz als zukunftsweisende Themen
Dementsprechend ist es auch wenig überraschend, dass sich aktuell mehr Personen die Zeit vor der Covid-19-Pandemie zurückwünschen (69 %), als dies noch im Juni dieses Jahres der Fall war (57 %). Im Vordergrund stehen dabei die Wünsche nach dem Ende der Maßnahmen, nach einem einfacheren, besseren und unkomplizierteren Alltag und nach Freiheit.
Fast jede/r Fünfte kann der Pandemie aber auch positive Aspekte abgewinnen: Die Möglichkeit zu mehr Ruhe und Entspannung, eine Chance zum Umdenken und vermehrtes Home-Office stellen weiterhin wichtige Anliegen für viele Österreicherinnen und Österreicher dar. Diese krisenbedingte Entschleunigung des eigenen Lebens ist für viele ein Vorteil, bei all den anderen negativen Begleiterscheinungen von COVID.
Große Einigkeit herrscht bei den Österreicherinnen und Österreichern hinsichtlich gesellschaftlicher Werte, die ihrer Meinung nach in Zukunft an Bedeutung gewinnen. An vorderster Stelle wird die Gesundheit genannt, sowie die Themen Sicherheit, Freiheit, Familie und Freundschaft rücken wieder in den Fokus. Viele richten den Blick bereits nach vorne und meinen, dass wichtige Themen wie Nachhaltigkeit sowie Klima- und Umweltschutz an Bedeutung gewinnen.